epd-Film, 3/1998
Inventur 5 – Werkschau niedersächsischer Filmemacher
(…) Am überzeugendsten war „Wie habt Ihr das alle geschafft?“ GEBURT IM SOMMER von Katja Baumgarten, der die Hausgeburt eines Kindes dokumentiert. Die Hi8-Kamera von Gisela Tuchtenhagen ist immer ganz dicht an den Menschen, findet suchend und kreisend immer wieder das Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz, um die Intimität des Vorgangs zu wahren. Geburt als betont körperliches Ereignis, schmerzhaft, freudig, schwierig und komisch zugleich, ohne mythische Weiblichkeitsüberhöhung.
BODO SCHÖNFELDER
per E-Mail – Juli 2007
Wir haben gestern Ihren Dokumentarfilm erhalten. Und möchten Ihnen und allen Beteiligten unsere große Bewunderung und Anerkennung für diesen rührenden, natürlichen und beeindruckenden Film aussprechen. Ich werde Anfang Oktober mein Baby zur Welt bringen, und dieser Film hat mir jetzt schon etwas geholfen dem unbekannten und zugleich schönsten Ereignis gelassen zu begegnen.
SUSANNE KRAUSE
Hannoversche Allgemeine Zeitung, 6.6.1997
Intensiver Blick auf ein intimes Ereignis
Ihr Gesicht ist schmerzverzerrt. Meike keucht, stöhnt und schwitzt. Die blonden Haare hängen wild ins Gesicht. Sie leidet. Meike bekommt ein Kind.
Diesen sehr intimen Moment hat die Filmemacherin Katja Baumgarten in ihrem Dokumentarfilm „Wie habt Ihr das alle geschafft?“ GEBURT IM SOMMER festgehalten. Die notwendige Vertrautheit konnte sie schaffen, weil sie selbst zur Akteurin wurde. Denn Katja Baumgarten ist nicht nur Filmemacherin, sondern auch Hebamme.
„Ich wollte weder einen dieser medizinischen Aufklärungsfilme machen, noch das Thema romantisch verklären“, sagt Katja Baumgarten. „Es sollte einfach ein realistischer Eindruck entstehen, wie eine Geburt tatsächlich ablaufen kann.“ Dafür haben sie und die Kamerafrau Gisela Tuchtenhagen den ganzen Tag bei der hochschwangeren Meike verbracht, sie betreut und getröstet, mit ihr gewartet und elf Stunden lang mit einer Videokamera gefilmt.
Herausgekommen ist ein 73minütiges Werk, das die Filmemacherin selbst als „schlicht“ bezeichnet. Harte Schnitte, absolut Zeitgleiche von Bild und Ton, chronologischer Ablauf und viele Detailaufnahmen schaffen eine Form, die den Inhalt nicht erdrückt, sondern heraushebt. Der Einblick in die persönlichsten Gefühle und Erlebnisse der schwangeren Meike, ihre Schmerzen, ihre Verzweiflung und ihre Freude, ist so deutlich, daß der Film fast die Grenze des Erträglichen sprengt.
„Ich möchte Filme machen, die jeder verstehen kann“, erklärt Katja Baumgarten ihr Konzept. So unaffektiert, wie ihre Einstellung zur eigenen Kunst wirkt die Frau auch selbst. Das Auffälligste ist der intensive Blick. Die braunen Augen der 37jährigen fixieren ihre Umgebung, strahlen freundliche Ruhe und Kraft aus.
Die braucht Katja Baumgarten auch, um ihren anstrengenden Alltag als allein erziehende Mutter dreier Kinder – das vierte ist unterwegs – ihre Filmprojekte und ihre Lehrtätigkeit an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig unter einen Hut zu bringen. An manchen Tagen habe sie das Gefühl gehabt, einmal quer durch den Bodensee geschwommen zu sein.
Schwangere betreut sie nur noch selten. „Liebesdienste für Freundinnen“ nennt sie das. Dabei war der Nebenerwerb als Hebamme lange Zeit sogar wichtiger als das Kunststudium, das sie 1992 mit Diplom und als Meisterschülerin abschloss. Erst seit sie das Filmemachen entdeckt habe, sei die Kunst wichtiger geworden.
Ein Werk über ihren 94 Jahre alten Großvater war der erste Dokumentarfilm von Katja Baumgarten und der Start ihrer künstlerischen Heimvideos – „mein eigenes Fernsehprogramm“. Als ihr drittes Kind geboren war, erhielt sie ein Stipendium des Dorothea-Erxleben-Programms zur Förderung von Wissenschaftlerinnen. Ihr Film „Wie habt Ihr das alle geschafft?“ ist Teil ihres Forschungsprojektes. Damit möchte die Filmemacherin die Leistung gebärender Frauen sichtbar machen.
KIRSTEN ALLEE
BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG, 6.6.1997
HBK-Dozentin drehte Dokumentarfilm über Geburt
Das Mysterium des geschenkten Lebens
Draußen, hinter sanft gebauschten Vorhängen, auf denen der Blick der Kamera ruht, scheint ein schöner Morgen anzubrechen. Im Zimmer plätschert Reggae-Musik, in die sich das leise Stöhnen einer Frau mischt. Was wie Lust klingt, ist Schmerz – es ist 8 Uhr Morgens, die ersten Wehen verkrampfen Meikes Körper. 17 Stunden später wird sie ihr erstes Kind, Zoe, zur Welt gebracht haben.
Das Mysterium des geschenkten Lebens ebenso wie der ganze praktische Umgang mit der Geburt haben Katja Baumgarten, Lehrbeauftragte für Dokumentarfilm und Stipendiatin des „Dorothea-Erxleben-Programms zur Förderung qualifizierter Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen“ an der Hochschule für Bildende Künste (HBK) in Braunschweig, seit je fasziniert. Noch vor Beginn ihres Kunststudiums an der Fachhochschule Hannover absolvierte die heute 37jährige eine Ausbildung zur Hebamme.
MEHRTEILIGES FILMPROJEKT
Ihr Stipendium will Baumgarten, selbst Mutter dreier Kinder, nutzen, um sich in einem mehrteiligen Filmprojekt mit „Fruchtbarkeit, Geburt und Mutterschaft“ auseinanderzusetzen. Eine erste Frucht ihrer Arbeit präsentierte die Künstlerin jetzt in der „Brücke“: der 73minütige Video-Film „Wie habt Ihr das alle geschafft?“ GEBURT IM SOMMER, den Baumgarten aus elf Stunden Bildmaterial ihrer Kamerafrau Gisela Tuchtenhagen zusammen geschnitten hat, begleitet die werdende Mutter bei der Hausgeburt.
Der Zuschauer wird vorbehaltlos eingeladen in die Wohnung der Hochschwangeren, hat das Gefühl, selbst zu dem vertrauten Kreis von Personen zu gehören – neben Baumgarten und Meike sind das ihr Freund Toks und die junge Hebammenschülerin Birgit -, die die Hochschwangere betreuen und unterstützen. Um die Mutter nicht zu stören, hat Baumgarten auf größeren technischen Aufwand verzichtet, der zwar einen klareren, aber auch distanzierteren Blick gewähren würde. Das Gefühl der Nähe, des Einbezogenseins entschädigt so dafür, dass Ton- und Bildqualität nicht immer vom Feinsten sind.
SCHMERZ UND WEHEN
Der Zuschauer darf Platz am Frühstückstisch nehmen und dem ungezwungen Geplauder lauschen, bis das Gespräch abbricht und ihm der Atem stockt, weil die Schmerzen Meike von neuem überfallen. Schleppend doch nicht quälend vergeht die Zeit, während die Wehen heftiger werden.
Minutenlang betastet die Kamera bewundernd den überprallen Bauch, den Meike sanft schaukelt, damit das Kind sich im Becken in die richtige Lage begeben kann. Und wenn das Objektiv, als es soweit ist, das schmerzverzerrte Gesicht der Gebärenden fixiert, geschieht das nicht aus Schaulust, sondern um dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, gleich den anderen der Gebärenden Mut zuzusprechen.
„In der offenen Sphäre der Zuneigung und des Rückhalts kann sich eine erotische Dimension des Gebärens ausbreiten, bei der die Geburt nicht zum medizinisch-biologischen Vorgang kastriert wird, sondern in eigener machtvoller Potenz der fruchtbaren Körperlichkeit ausgelebt werden kann“, umschreibt Baumgarten, was sie als Dokumentarfilmerin festhalten will.
Und in der Tat: Man verlässt die Vorführung trotz aller Bilder von Schmerz und Blut mit einem geradezu beschwingten Gefühl. Und die Vorstellung, dass die meisten Geburten nicht von Bob Marley, sondern von den Geräuschen zahlreicher steriler technischer Apparate begleitet werden, nimmt fast irreale Züge an.
FLORIAN ARNOLD
Schweizer Hebamme, Verbandszeitung des Schweizerischen Hebammenverbandes Heft 4/2004 – April
Die Beschreibung auf der Rückseite macht neugierig. Zoe wird geboren und wir dürfen dabei sein. Die Beteiligten sind eine Hebamme und Filmemacherin (Katja Baumgarten), ihre Kollegin – Krankenschwester und Kamerafrau (Gisela Tuchtenhagen), die Freundin der Gebärenden (Hebamme in Ausbildung 3. Lehrjahr) und Maike, die werdende Mutter (Hebamme in Ausbildung 3. Lehrjahr) mit ihrem Mann sowie Zoe…
Der Film zeigt die erste Geburt von Maike, eine wunderschöne Hausgeburt , die trotz Hitze und immer stärker werdenden Wehenschmerzen, die auch diese Frau bis zum Äußersten fordern, friedlich abläuft und in die Geburt des keinen Mädchens gipfelt.
Sehr schön wird gezeigt, welche Phasen durchlaufen werden und wie die Gebärende, das Paar, die Freundin, die Hebamme, das Baby und die Kamerafrau damit umgehen: sollen wir das zeigen? – mit Musik und Tanz lässt sich’s besser ertragen! – Bad – Spaziergang – der „Verleider“ – die Schreie – und immer wieder die liebevolle Unterstützung durch die anwesenden Personen. Die Hebamme tritt erst am Schluss der Eröffnungsphase in Aktion, wo sie die Schwangere ganz sanft weiterführt und anleitet… Die Geburt ist wie ein Fest, ganz harmonisch und problemlos, und alle sind gerührt und erfreut – wie es sein sollte! Der Vater schneidet die Nabelschnur durch und betrachtet dann zusammen mit der Mutter die Plazenta. Er ist es, der sie dazu drängt, dass Zoe endlich trinken darf… Am Ende des Films sitzen alle wieder zusammen am Tisch, essen und reden zusammen über das soeben Erlebte.
Der Film hat witzige Sequenzen, z.B. anfangs die Vorstellungsrunde: Zoe im Bauch wird längere Zeit gezeigt. Er hat aber auch langfädige Passagen – was allerdings den Zuschauern das Gefühl, wirklich dabei zu sein, sehr gut vermittelt.
Der Film ist sehr feinfühlig, sinnlich, authentisch und künstlerisch gemacht – eher Ersatz für „Anschauungsunterricht“ für junge Frauen (was heute wirklich fehlt) als ein Dokumentarfilm für die Ausbildung. Er wird jedoch auch jeder Hebamme in Ausbildung als Beispiel einer Hausgeburt gut gefallen.
Ein wirklich gelungener Film, der mir sehr gefallen hat und den ich nur empfehlen kann!
MARGIT HELLER – Hebamme und Dipl. Pflegefachfrau
per E-Mail – Juli 2004
Kompliment – habe den Film „Geburt im Sommer“ gesehen und fand ihn sehr beeindruckend. Ich bin froh diesen Film gefunden zu haben nachdem ich schon viele der üblichen Dokumentationen oder Soaps wie „Schnulleralarm“ gesehen hatte, denn in Ihrem Film wurde mal nicht soviel herausgeschnitten, nichts mit alberner Musik unterlegt und eben einfach das gezeigt was passierte, in Ruhe und Natürlichkeit.
ANJA
Hebammenforum, Verbandszeitung des Bund Deutscher Hebammen e.V. (BDH) Heft 3/2003 – März
„Wie habt Ihr das alle geschafft?“ fragt die Hebammenschülerin Meike nach einigen Stunden Geburtsarbeit. Sie erwartet ideenreich ihr erstes Kind.
Es ist eher ein Liebesfilm, als ein Aufklärungsfilm. Sehr anschaulich kommen die verschiedenen Geburtsstadien im Laufe des Tages durch; besonders schön der sich verändernde Gesichtsausdruck der Gebärenden. Die Geduld spielt eine große Rolle.
Bei der Länge des Films stellt sich mir die Frage, ob er geeignet ist für Geburtsvorbereitungskurse – dafür ist er zu schön und zu lang – aber für Hebammenschülerinnen, besonders zu Beginn der Ausbildung, ist er ein Bonbon!
CORNELIA KRAPP – Lehrerin für Hebammenwesen, Göttingen
Hebammen-Info, Verbandszeitung des Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands e.V. (BfHD)
Heft 4/02- Juli 2002
Ich kenne nur sehr wenige Geburtsfilme, die sich eignen, werdende Eltern, insbesondere, wenn sie ihr erstes Kind erwarten, auf die Geburt vorzubereiten (falls sie das wollen!) Ist es überhaupt möglich, Geburt im Film darzustellen, ohne einzugreifen? Die Kamera nimmt teil, bestimmt den Prozess mit. Und: wie kann vermittelt werden, dass Geburt individuell sehr unterschiedlich sein kann und doch eine vergleichbare Dynamik entwickelt?
Nachdem ich sehr beeindruckt war von dem Film „Mein kleines Kind“ von Katja Baumgarten und der Kamerafrau Gisela Tuchtenhagen, war ich sehr neugierig auf ihren Geburtsfilm, den sie kurz vor der Diagnose des Pränataldiagnostikers (siehe voran gegangene Filmbesprechung) abgeschlossen hatten. Natürlich ist es ein ganz anderer Film. Aber auch dieser ist ein empfehlenswerter Film.
(…) „Ein Liebesfilm“ – so wird der Film auf dem Cover beschrieben. Das ist er sicher. Wie der andere Film, ist auch dieser liebevoll und zärtlich. Er dokumentiert den Prozess, den die junge Frau durchläuft: beginnt mit Zuversicht, es folgt Konzentration, dann Verzweiflung, Widerstand, das Aufgeben und schließlich die große Kraft und Geburt. Die Kamera ist zurückhaltend aber präsent, in den Prozess einbezogen, ohne ihn zu stören.
Also: ein Film, der sich meiner Meinung nach gut eignet für werdende Eltern, die sich insbesondere auf eine Hausgeburt vorbereiten wollen. Er ist realistisch, beschönigt nichts, macht aber auch keine Angst. Ein schöner, sehenswerter Geburtsfilm.
DOROTHEA KÜHN – Hebamme und 2.Vorsitzende des BfHD, Mühlheim
Deutsche Hebammen-Zeitschrift DHZ 9/1998
Ein Film, bei dem die Betrachter eine weitgehend unmanipulierte und ungeschönte Hausgeburt einer Erstgebärenden miterleben können, ohne dass ein Sprecher das Geschehen kommentiert. Der lange und mühsame, jedoch von allen Anwesenden unterstützte individuelle Weg bis zur Geburt der kleinen Zoe wird realistisch gezeigt.
Es ist kein Lehrfilm, der die einzelnen Phasen einer Geburt erklärt, sondern das Dabeisein bei dieser ganz individuellen Situation im Leben dieses Paares. Gut kommen die sich verändernden Stimmungslagen der werdenden Mutter heraus, von Vorfreude und Aufregung über Ungeduld und Aufgebenwollen, von Liebe und Aggressivität bis zu Zweifeln und Zuversicht. Besonders deutlich wird dies in den immer wieder einmal auftretenden „Ich kann nicht mehr“ oder „Ich will nicht mehr“ Phasen.
Ein „glückliches Händchen“ hatte die Filmemacherin bei der Auswahl der werdenden Eltern. Eine schwangere Hebammenschülerin, die kreativ ihre Wehenarbeit gestaltet, und ihr jederzeit zu Späßen aufgelegter Partner lassen „die Außenwelt“ unbefangen an diesem persönlichen Erlebnis teilhaben. So sind Nahaufnahmen des schwangeren Bauches oder des tief in Musik versunkenen tanzenden Paares entstanden, die die Intensität und Intimität dieses Geschehens erahnen lassen. Das subjektive Erleben, nicht technische Perfektion stehen im Vordergrund dieses Werkes. (…)
SABINE BURCHARDT